Panoramabahn
vom Gleisdreieck bis zur Warschauer Straße
Ich sehe was, was du nicht siehst
Die Linie U12 ist in Berlin DIE Untergrundbahn, die zum größten Teil oberirdisch fährt. Im Vergleich zu allen anderen Streckenführungen der U-Bahn, haben wir hier die Möglichkeit während der Fahrt vom Gleisdreieck zur Warschauer Straße, nicht den schwarzen Tunnel durch’s Fenster zu betrachten, sondern das schöne Kreuzberg zu sehen, das uns zu Füßen liegt. Und trotzdem – wenn man sich umschaut, erblickt man die gesenkten Köpfe der Fahrgäste, vertieft in ihre Zeitung oder ihr Smartphone, während sich draußen hinter den Scheiben ein sehenswertes Panorama erstreckt.Mit meinem Projekt möchte ich die Menschen dazu bringen, ihre Stadt wieder bewusster wahrzunehmen.
Dazu nutze ich das Spiel, das jeder von uns aus seiner Kindheit kennt, um beispielsweise lange Autofahrten etwas weniger lang erscheinen zu lassen: “Ich sehe was, was du nicht siehst”. Also habe ich Fotos auf der Strecke gemacht und mein Heft mit den kleinen Details gefüllt, die auf der Fahrt von Station zu Station zu entdecken sind. Dies gelingt jedoch nur, wenn man aufmerksam seine Umwelt hinter der Scheibe beobachtet. Das Heft habe ich an den Haltestangen in der U-Bahn angebracht, sodass jeder die Möglichkeit hat hineinzuschauen. Immer wenn sich die Türen schließen und sich der Zug in Bewegung setzt, beginnt die Suche nach den zwei Details.
Für den Fall, dass die Fahrgäste bereits alle „Sehenswürdigkeiten“ kennen, habe ich vorgesorgt und einen Stift dazu gehängt, der ihnen die Möglichkeit eröffnet, die letzten freien Seiten des Hefts mit ihren eigenen Beobachtungen für andere zukünftige Fahrgäste zu bereichern. Vielleicht werden sie ihren Mitfahrern neue “Sehenswürdigkeiten” offenbaren, die im ersten Moment vielleicht gar nicht des Sehens würdig zu sein scheinen.
Damit ihr eine Vorstellung habt, wie mein Heft von außen und von innen aussieht…
Die Reaktionen der Mitfahrer waren sehr verschieden:
Einige merkten gar nicht, dass da etwas in der U-Bahn hängt, was dort für gewöhnlich nicht hingehört…
Glücklicherweise waren auch sehr viele Neugierige unter den Berliner U-Bahnfahrern…
… und einige von ihnen verewigten sich auch im Heft, sodass es nun – Dank der spontanen Kreativität – zu einem Gemeinschaftswerk geworden ist…
Janna Burchert