Rani Pabst
Läuft man durch Berlin, so kommt man eigentlich nicht umhin, die vielen Urban Gardening Projekte auf Grünsteifen, Dächern oder in Hinterhöfen zu bemerken. Diese kleinen (oder großen) Gartenprojekte verschönern nicht nur die Stadt – ungenutzter Raum kann lebenswert gemacht werden, Lebensmittel können klimaschonend produziert werden und es können Orte entstehen, an denen Menschen zusammenkommen, sich austauschen und der Hektik des Alltags entfliehen können.
Davon inspiriert beschloss ich den Hinterhof unseres Hauses im Wedding zu verschönern – doch schon das Anbringen einer Schaukel führte zu einer Abmahnung des Vermieters. Dieser versucht, wie viele andere Hausbesitzer auch, langjährige Mieter zu kündigen, um die Wohnungen zu renovieren und teurer zu vermieten. Mein erstes Projekt musste ich also vorerst abbrechen – und so kam ich auf die Idee, eine kleine Urban Gardening Intervention im öffentlichen Raum zu schaffen (in diesem Fall problemfreier als im Mietshaus).
Mir kam die Idee einer “Kleinen Kräuterstation für Alle”: Kräuter sollten an einem öffentlichen Ort Anwohnenden und Vorbeikommenden frei zugänglich sein. Werden die Kräuter geerntet und gegossen? Werden sie überhaupt beachtet? Die Kräuterstation sollte den Alltag aufbrechen – ich wollte herausfinden, ob die Menschen innehalten, sich die Station anschauen, evtl. sogar gießen und die Kräuter ernten. Die Kräuter können so eine Inspiration für die Küche sein, als Kräutertee kurze Ruhemomente schaffen oder den Menschen auf dem Weg zur Arbeit ein Lächeln entlocken.
Ich besorgte die Kräuter für mein Projekt zur Hälfte im Weddinger Gemeinschaftsgarten Himmelbeet. Dort erstand ich Bergbohnenkraut, Anis–Ysop und Basilikum. Zwei weitere Basilikum Töpfe erstand ich im Biosupermarkt, einen Busch Minze an einem türkischen Stand. Preislich lagen alle Kräuter bei etwa 2,50€. Mit etwas mehr Zeit hätte man die Kräuter auch selber ziehen können, Samen bekommt man oft sogar kostenlos! Zum Beispiel im Leihladen Leila im Prenzlauer Berg.
Als Töpfe kann man eigentlich alles verwenden. Von alten Konservendosen über Plastikflaschen bis hin zu Jutebeuteln. Ich entschied mich für einen alten Erdbeerkorb (ausgelegt mit einer zerschnittenen Milchpackung), eine Wasserflasche und einen alten Getränkekarton.
Um die Leute auf die Kräuterstation aufmerksam zu machen und um zu erklären, dass jeder ernten und gießen darf und soll, gestaltete ich kleine Schilder mit Aufschriften wie: „Ernte Uns!“, „Gieß uns, wir sind durstig!“ oder auch „Riech doch mal!“.
Die Kräuter und die Schilder befestigte ich mit Draht am Geländer des Eingangs zur U Amrumer Straße.
Schon während wir (Danke Sophia! 🙂 ) die Kräuter befestigten, kamen zwei kleine Mädchen neugierig zu uns. Sie wollten sofort helfen und die Kräuter gießen. Schließlich halfen sie uns auch beim Aufhängen der Schilder, malten Blumen auf ein Papier und hängten es dazu. Nach einer Weile kamen weitere Familienmitglieder dazu und waren sehr interessiert. Wir kamen sofort ins Gespräch und besonders die Mutter der beiden war begeistert von der Kräuterstation.
Die nächsten Tage goss ich die Kräuterstation gar nicht mehr – doch dank der netten Frau die wir beim Anbringen kennengelernt hatten ging es den Kräutern prächtig. Sie hatte täglich gegossen und berichtete mir, dass schon einige Menschen Kräuter geerntet hätten.
An einem Sonntagnachmittag setzte ich mich für zwei Stunden auf eine Bank in der Nähe. Obwohl viele Personen stehenblieben und sich die Schilder anschauten, sah ich niemanden etwas ernten – bis auf einen älteren Herren der sich ein Blatt nahm um daran zu riechen.
Jetzt – eine Woche nachdem ich die Kräuter angebracht habe – ist ein Basilikum schon fast ganz abgeerntet. Ich bin schon gespannt zu beobachten, wie lange die Station bestehen bleibt. Meinen Alltag hat sie auf jeden Fall schon bereichert. Ich freue mich nicht nur immer beim Vorbeilaufen, ich kenne jetzt auch eine Familie aus der Nachbarschaft, die ich sonst vermutlich nicht kennengelernt hätte.
Ich hoffe, dass die Kräuterstation noch einige Menschen kurz innehalten lässt, einige vielleicht zu einer Tasse Kräutertee inspiriert und Begegnungen schafft.
Vielleicht pflanzt ja jemand sogar noch etwas dazu.